Zurück von der Reise durch Süditalien habe ich gewisse Parallelen vom „organisierten“ Tourismusgeschäft in Kalabrien und Apulien zum hiesigen Alpen-Tourismus festgestellt.
Sowohl in Apulien als auch in Kalabrien sind mir verschiedene Organisationen in den Bereichen Gesundheit, Müllverbrennung, aber auch im Tourismussektor aufgefallen.
Vor allem im krisengeschüttelten Süden, wo auch viele Touristen ihren Urlaub verbringen, werden Geschäfte von dubiosen Organisationen kontrolliert. Entweder investiert die Mafia selbst in Ferienzentren, Vergnügungsparks und Pensionen oder sie streicht Kommissionen von den Betreibern ein. Damit das Urlaubs-Geschäft die ganze Saison über unfallfrei verläuft, werden unter anderem Schutzgebühren verlangt.
Die „uomini d’onore“ (Ehrenmänner) leiten die Geschäfte. Viele Familienclans arbeiten autonom, wobei die regionale Koordination von Kommissionen übernommen wird, die sich aus den Oberhäuptern der einflussreichsten Familien und aus Politikern zusammensetzen.
Die Eigentumsrechte in den Regionen werden nach dem Vorbild neo-feudaler Systeme an ihren „Dienstadel“ verteilt. Ein solches System ist „die privatisierte Form des parasitären Staates“.
Die „Familie“ verlangt von ihren Mitgliedern strengsten Gehorsam und beinhaltet die für einen Geheimbund typische Pflicht zur Verschwiegenheit gegenüber Außenstehenden (omertà). Diese Merkmale finden sich in ähnlicher Form auch in anderen Syndikaten.
Ähnliche staatliche Strukturen wurden auch in den westlichen Demokratien diskutiert: So wurden sowohl dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump als auch dem Präsidenten der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel die Eigenschaften eines Paten zugeschrieben.
Für andere kriminelle Organisationen ist der Begriff „Mafia“ weniger gebräuchlich, obwohl sie Ähnlichkeiten aufweisen. Im Falle Mexikos spricht man beispielsweise in der Regel von Drogenkartellen und nicht von der „mexikanischen Mafia“.
Wehe dem…
Wehe dem, der glaubt, dass das System von Anzère Ähnlichkeiten mit Süditalien aufweisen könnte. Gewisse Verflechtungen zwischen Politik und Wirtschaft sind aber nicht von der Hand zu weisen. Landkäufe der Gemeinde für ein Immobilienprojekt durch Swiss Peak, einer privaten Aktiengesellschaft, aber auch Nutzungsrechte für Kunden einer überregionalen privaten Aktiengesellschaft zugunsten eines Bergbahnunternehmens wecken berechtigte Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit der Vorgänge. Dies umso mehr, als die Inhaber von „Magic Pass“-Abonnements die gesamte Infrastruktur nutzen können, ohne einen Rappen dafür bezahlt zu haben.
Die Firma „Magic Mountains Cooperation“ zahlt zwar einen Obolus an die Bergbahnen, aber nichts an die Infrastruktur der Region. Dieses Vorgehen wird in Süditalien auf sehr ähnliche Weise getätigt. Was die italienischen Clans jedoch auszeichnet, ist ihr ehrenhaftes Verhalten gegenüber den Touristen. Diese werden nicht abgezockt, wie z. B. die Zweitwohnungsbesitzer in der Schweiz, denn ohne Touristen funktionieren die Geschäfte der Mafia, ob mit oder ohne Schnee, langfristig nicht.
Es wäre eine interessante Aufgabe für einen Wirtschaftsstudenten, das Geschäftsmodell „Anzère“ zu analysieren und es auch für die hiesigen Zweitwohnungsbesitzer zu optimieren.